Mittwoch, 10. September 2014

» Herr Galli, wo sind Sie? «

Der Philosoph als Clown:
Johannes Galli
Allen Freunden des Freiburger Galli-Theaters wird es nicht entgangen sein, dass sich das Gesicht des Theaters verändert hat. Den einen gefällt es, die anderen fragen: Wo ist eigentlich das alte Galli Ensemble hin? Und wo ist Johannes Galli?

Der Namensgeber, Autor und Theatermacher hatte jahrelang die Geschicke und Inhalte des Theaters wesentlich mitbestimmt. Sein Studium der Geschichte und Germanistik absolvierte er in Freiburg, wo er auch 1984 sein erstes Theater gründete. Das ist nunmehr 30 Jahre her und es folgten Theatergründungen in München, Frankfurt, Hamburg, Berlin, Weimar, Dresden, Erfurt, Wiesbaden und New York. Für alle Theater hat Johannes Galli seine Stücke stets selbst geschrieben. Ob der langährige Kulthit "68er Spätlese", das moderne Musical "Froggy" oder unzählige weitere Klassiker: Alle Schauspiele stammen aus seiner Feder. Sein Markenzeichen ist die Anpassung der Stücke und Inszenierungen auf die jeweiligen Spieler, er schreibt ihnen die Rollen praktisch auf den Leib. So werden allgemeines Zeitgeschehen und gesellschaftliche Fragen nie abstrakt behandelt, sondern immer mit den agierenden Personen in Bezug gesetzt.
Dies macht auch die Besonderheit des Ensembles aus, das seit Jahren mit Begeisterung die Stücke in Szene setzt und sich immer wieder neu formt.


Johannes Galli war in allen Theatern aktiv, doch in seinem "Heimattheater" in Freiburg am schöpferischsten. Hier hat man ihn viele Jahre im Kultmusical "68er Spätlese" und in zahlreichen seiner Solostücke gesehen. Ob "Die Geburt des Clowns", "Die Nibelungensage", "Von Adam bis Eva" und vieles mehr- Johannes Galli war stets auf der Bühne selbst mit dabei. 
Nun ist es seit einigen Monaten ruhig um das Theater geworden und Menschen fragen sich:
                             » Herr Galli, wo sind Sie? « 

Der Mann, der sich über so viele Jahre in die Herzen seines Publikums spielte und die vielfältigen Dramen eines Menschenlebens so gekonnt in Szene setzte musste sich einem ganz persönlichen, einschneidenden Drama stellen: Nach einer schlecht behandelten Diabeteskrankheit ist Johannes Galli erblindet, erlahmt und nierenkrank. Jeden zweiten Tag wird ihm in einer Dialysestation in Wiesbaden sein Blut gereinigt. Die Krankheit hat sein Leben verändert.
Vor einem Jahr ist er dann auch in seine Heimatregion im Rheingau zurückgekehrt um Kraft zu tanken, seine schwere Krankheit anzunehmen.


Nach vielen Monaten des Kampfes mit den einschneidenden Folgen der Krankheit ist Johannes Galli heute wieder am  Galli Theater in Wiesbaden aktiv. Unermüdlicht diktiert er in neugewonnener Schaffenskraft frische Theaterstücke und ist sogar in seiner neu gegründeten Reihe "Theater für Gesundheit" selbst auf der Bühne zu sehen. Im Rollstuhl sitzend, spielt er einen Patienten auf der Dialysestation; seine Erblindung für das Publikum kaum erkennbar. Mit ihm auf der Bühne zu sehen ist ein Großteil des ehemaligen, schmerzlich vermissten Freiburger Theaterensembles. Dabei die Akteure, die in den vergangenen Jahre die beliebten Märcheninszenierungen in Freiburg gespielt haben und die beliebte, virtuos wandlungsfähige Comedydarstellerin Gabriele Hofmann. Auf der Bühne wird so die Organisationsstruktur sichtbar: Nicht als ein einsamer Marsch des Johannes Galli von Freiburg nach Wiesbaden. Sondern als Wanderung der ganzen Theaterfamilie, bestehend aus den beliebten alten Recken als auch den jungen Nachwuchskünstlern, die dem Weg Ihres Mentors und Theatervaters gefolgt sind.

Vor 5 Jahren hatte Freiburgs Bürgermeister Dieter Salomon anlässlich des groß gefeierten Festivals "25 Jahre Galli Theater Freiburg" gesagt, dass ihn die Ideenvielfalt und das Konzept der Galli Theater sehr beeindrucke und Respekt abverlange. Als langjährige Freundin dieses Theaters schließe ich mich dieser Feststellung von ganzem Herzen an: Das sind Menschen, die für ihre Kunst, die für ihr Publikum alles geben.

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